Lieber Gerhard,
du warst noch verhältnismäßig jung, als dich die Diagnose Parkinson traf. Wie bist du mit der Diagnose umgegangen?
Als der Arzt mir vor etwa 8 Jahren auf den Kopf zusagte, dass ich die Krankheit Parkinson habe, setzte bereits nach ganz kurzer Zeit ein Verdrängungsprozess ein.
Drei Kinder, verheiratet, erfolgreich im Beruf, finanziell alles in trockenen Tüchern, tolles Auto, und und und… Was sollte ich da mit einer chronischen Krankheit anfangen? Mit 42 Jahren an etwas zu erkranken, was man nicht wieder los wird und wovon man nichts wusste, außer dass es irgendwas mit zittern zu tun hat, passte nicht in mein Lebenskonzept.
Doch es war ja nicht zu ändern. Denn auch das Ignorieren der Krankheit, das Verdrängen der Symptome und das „sich in die Arbeit stürzen“ löst die Krankheit nicht auf. Das Ende vom Lied war dann eine Depression.
Was hat dir geholfen?
Zum einen habe ich begonnen, mir meine Sorgen und Ängste von der Seele zu schreiben. Man kann es mit einer Art Tagebuch vergleichen. Das war sehr befreiend. Im Nachgang ist dann das Buch „Parkinson Leben mit der Pechkrankheit“ daraus entstanden.
Zum anderen habe ich mich in eine Tagesklinik einweisen lassen. Dort wurde ich dann medikamentös eingestellt. Vor allem aber hat mir die psychologische Betreuung sehr geholfen um zu lernen, mit der Krankheit umzugehen.
Wie war dein Weg zu der Diagnose?
Meine Frau Monika hatte bereits vor mir die Vermutung, dass es sich um die Parkinson Erkrankung handeln könnte und schickte mich zu einem entsprechenden Neurologen. Bis dahin, und wir sprechen hier von einem Zeitraum von etwa einem Jahr, wurde ich von verschiedenen Ärzten auf die unterschiedlichsten Symptome behandelt. Zum Beispiel Kalkschulter, Tennisarm und Nervenentzündung. Inzwischen weiß ich, dass diesen Weg zur „richtigen“ Diagnose sehr viele Betroffene gehen. Es ist fast schon ein Klassiker, besonders bei jüngeren Menschen.
Du möchtest, dass auch „Nicht-Betroffene“ besser mit der Erkrankung umgehen können. Was könnte hierbei helfen?
Ich denke, dass ein offener Umgang mit der neuen Lebenssituation ein wichtiger Schritt ist. Das ist nicht leicht. Zu sagen „Ich bin Behindert!“ oder um Hilfe zu bitten, kostet Überwindung. Je öfter man es aber tut, um so leichter fällt es einem.
Rückblickend war es für mich der richtige Weg meinen Arbeitgeber, die Familie, Freunde, Nachbarn und so weiter über „meinen neuen Begleiter“ zu informieren. So hat man die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Machen wir uns nichts vor, getuschelt wird schnell.
„Hast du dem Schumann gesehen wie der zittert? Der braucht wohl einen Schluck zur Beruhigung!“
„Der Schumann hat Parkinson! Wusstest du das nicht?“
So entstand auch meine Bilderreihe „Parki und ich“, die bereits im Bundesgesundheitsministerium im Berlin zu sehen war. Mit dieser Öffentlichkeitsarbeit versuche ich Menschen über das Krankheitsbild zu informieren und Hemmschwellen abzubauen.
Seit einem Jahr leite ich die Regionalgruppe München der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V. Auch auf diesem Weg versuche ich Betroffene und nicht Betroffene zusammen zu bringen.
Wie möchtest du, dass die Öffentlichkeit Parkinson sieht?
Parkinson hat so viele unterschiedliche Symptome, dass man niemandem böse sein kann, wenn diese nicht als Parkinsonerkrankung gedeutet werden. Doch es werden generell zu schnell Schubladen geöffnet und Menschen darin ab sortiert. Man ist nicht automatisch „doof“, wenn man nicht mehr deutlich redet oder eine reduzierte Mimik hat.
Darum wünsche ich mir für jeden Menschen, mit egal welcher Einschränkung, einen vorurteilsfreien Umgang.
Wie können Nicht-Betroffene auf einen Erkrankten zugehen?
Mir ist es am liebsten, wenn ich offen gefragt werde. Dann kann ich wenigstens auch offen antworten. Aber da ist natürlich jeder anders.
Woher sollte ein Nicht-Betroffener wissen, dass Parkinson Patienten möglicherweise auf die Ernährung achten müssen, oder ungewollt vor der Türe „einfrieren“ können? Ich denke dass der Begriff „Schüttel-Lähmung“ noch immer weit verbreitet ist und das Bild des „starr dasitzenden, mit der Hand zitternden Kreisen“ in den Köpfen fest sitzt. Das die „Nebenkriegsschauplätze“ viel weitreichender sind und nicht nur ältere Menschen erkranken, ist noch viel zu wenig bekannt.
Unangenehm hingegen empfinde ich es, wenn mir jemand zum Beispiel ungefragt in die Jacke helfen möchte.
Und damit schließt sich der Kreis! Bitte immer fragen!
Wie können Nicht-Betroffene darauf reagieren, wenn ein Freund oder Bekannter plötzlich erkrankt ist?
Ich kann mich aber noch genau erinnern, wie es bei mir damals war und ich möchte die Frage anders herum beantworten. Was sollten sie (aus meiner Sicht) nicht machen?
Es hat mich binnen sehr kurzer Zeit extrem genervt, dass jeder mit „tollen Ideen“ und einem „gesunden Halbwissen“ meine Krankheit kommentiert und beurteilt hat. Du musst dies… – Du solltest das… – Ich habe im Internet gelesen, dass… – Hast Du auch schon gehört, dass…
Doch am meisten Nerv tötend waren Aussagen wie: „Die finden bald was um Dich zu heilen!“ oder „Bei Dir wird das nicht so schlimm werden!“
O.k., anscheinend haben die alle eine Glaskugel oder sind schlauer als alle Ärzte dieser Welt. Spaß beiseite… Gute Ratschläge und Tipps von irgendwelchen Internet Professoren sind meines Erachtens wenig hilfreich, zumal der Betroffene gerade zu Beginn meist durch die Diagnose überfordert ist und selbst eine Flut von Informationen durch seinen Arzt erhält.
Viel wichtiger finde ich es, den Betroffenen „normal“ zu behandeln. Parkinson ist weder ansteckend, noch stirbt man daran. Man kann auch nichts dafür, dass man es bekommt. Warum also Ausgrenzen oder eine Sonderbehandlung vornehmen? Unterstützung anbieten, aber nicht aufdringlich sein.
Und ein Tipp noch: Menschen die Parkinson erkrankt sind, neigen dazu, ein Suchtverhalten zu entwickeln! Darauf ein Auge zu haben, wäre ein echter Freundschaftsdienst.
Wie erklärt man Kindern Parkinson?
Wie erklärt man Kindern überhaupt, dass ein Elternteil oder naher Verwandter krank ist? Das hängt natürlich in erster Linie vom Alter der Kinder ab. Meine Jungs waren damals 16, 13 und 4 Jahre alt. Ich habe ihnen gesagt, dass ich die Krankheit Parkinson habe und dass ich sie nicht mehr los werde. Dass ich möglicherweise im Laufe der Zeit anfangen werde zu zittern und dass mir verschiedene Dinge schwerer fallen werden. Aber, dass ich mit der Krankheit auch alt werden kann. Das war es. Die Großen haben nach und nach im Internet mal nachgeschaut und ab und zu mal die eine oder andere Frage gestellt. Irgendwie haben wir es aber geschafft, die Krankheit nicht zum Mittelpunkt des Lebens werden zu lassen. Schließlich ist jeder Verlauf anders und zu spekulieren, was vielleicht mal irgendwie sein könnte, macht keinen Sinn.
So hat Papa halt Parkinson. Andere Väter sind wochenlang auf Montage oder haben irgendwas anderes. Es ist halt so.
Da du jung erkrankt bist, kennst du dich auch mit dem Thema Parkinson und Arbeiten aus. Wie hast du das selbst gemeistert?
Ich hatte das große Glück, dass ich zum Zeitpunkt der Diagnose einen super Chef hatte. Als ich ihn informiert habe, sagte er sofort: „Sag Bescheid, wenn ich etwas für Dich tun kann!“
Meist ist es ja so, dass man die ersten Jahre auch weiterhin sehr gut zurecht kommt. Nicht umsonst nennt man diese Zeit Honeymoon. Die Medikamente schlagen in aller Regel gut an und man hat oft das Gefühl, geheilt zu sein. Das ist aber ein Trugschluss. Parkinson schreitet stetig voran und irgendwann kann man unter Umständen seinem Job nicht mehr gerecht werden.
Nach und nach habe ich einen Teil meiner Aufgaben abgegeben und die Arbeitsstunden reduziert. Dann folgte die Teilerwerbsminderungsrente. Vor einigen Monaten dann die volle Erwerbsminderungsrente. Das war zum einen ziemlich hat, da ich super gerne und super viel gearbeitet habe. Andererseits habe ich mich über einen längeren Zeitraum damit auseinander gesetzt und auch psychologische Unterstützung in Anspruch genommen.
Welchen Tipp würdest du Betroffenen hier geben?
Auch das Leben als „Rentner“ kann super sein. Vielleicht kann man ein neues Hobby entdecken, dass man schon immer machen wollte. Man kann sich Zeit für die Familie, aber auch für sich selbst nehmen und körperlich und geistig fit zu bleiben. Und… und das meine ich mit vollem Ernst: Es macht sogar Spaß, im Haushalt zu helfen. Sogar Bügeln habe ich inzwischen gelernt.
Was findest du bei der Behandlung von Parkinson wichtig?
Das man als mündiger Patient vom Arzt wahrgenommen wird. Schließlich bin ich es, der die Pillen nehmen muss und die Wirkung, oder Nebenwirkung damit am eigenen Leib erfährt. Wichtig finde ich auch, dass der behandelnde Arzt ein echtes Interesse hat, das Beste Ergebnis bei der Medikation für den Patienten zu erreichen. Aus Erfahrung weiß ich, dass das zeitraubend sein kann. Ich habe ein Dutzend Ärzte gebraucht, um meinen richtigen zu finden. Außerdem glaube ich, dass Bewegung ein wichtiger Punkt bei der Behandlung von Parkinson ist. Nicht zuletzt aber auch die richtige Einstellung zum Leben.
Was hast du alles ausprobiert, um Parkinson in den Griff zu kriegen und wie war das Ergebnis?
Nicht viel. Zum einen natürlich verschiedene Medikamente. Selbsterklärend, dass das aufgrund der fortlaufenden Veränderung der Krankheit auch ein fortlaufender Prozess ist. Zum anderen Bewegung. Ich fahre Rad und mache Karate. Und ich gönne mir Auszeiten und mache öfter mal einen Mittagsschlaf. Das ist es auch schon. Vielleicht habe ich einfach Glück, dass ich damit zurecht komme.
Was hilft dir dein Leben trotz Parkinson zu meistern? Was ist möglicherweise dein persönliches Geheimrezept?
Ich bin ein stückweit egoistischer geworden. Was mir wichtig ist, versuche ich umzusetzen. Ich kümmere mich nicht um Probleme, die es noch gar nicht gibt, sondern erst dann, wenn sie auftreten. Das erzeugt aber auch Spannungen in meinem Umfeld. Unter dem Strich lebe ich damit gut.
Was rätst du Betroffenen, wenn Sie Probleme haben die Erkrankung zu akzeptieren, die Ehe kriselt oder sie einfach nicht weiterwissen?
Neben einem guten Arzt ist ein guter Psychologe sicherlich sehr hilfreich. Es ist keine Schande sich auf das berühmte Sofa zu legen und zu heulen was das Zeug hält. Auch der Einsatz von Antidepressiva ist legitim.
In jedem Fall ist es aus meiner Sicht hilfreich sich Hilfe zu suchen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken.
Wo können sie Hilfe bekommen?
Selbsthilfegruppen finde ich eine prima Einrichtung. Da kann man in einem „geschützten Raum“ über alles reden kann. Man findet Gleichgesinnte, die einem Informationen aus erster Hand geben können. Übrigends gibt es auch Selbsthilfegruppen für Angehörige. Die haben mit uns Parkinson Menschen oft auch so ihre Problem und können daher auch Hilfe in Anspruch nehmen.
Fit trotz Parkinson steht für ein aktives glückliches Leben trotz Parkinson. Woran denkst du hierbei sofort? Was kann Betroffenen und auch deren Angehörige helfen, nach diesem Motto zu leben?
Ganz spontan? „Scheiß drauf! Es gibt echt schlimmere Krankheiten!“
Trotz Parkinson kann mal oftmals noch lange nahezu ohne Einschränkungen leben. Darum sollte man die Zeit auch aktiv nutzen für die Dinge die einem Spaß machen.
Zum Schluss ist mir noch eines wichtig: Ich bin nicht Chuck Norris des Parkinson. Auch ich löse die Probleme des Alltags nicht mit einem Roundhouse Kick. Auch ich weine manchmal, weil mir alles zu viele wird und ich nicht mehr das schaffe, was ich früher geleistet habe. Dennoch: Durch die Krankheit habe ich auch viel gelernt und an Lebensfreude dazu gewonnen. Und nicht zuletzt habe sehr viele tolle Menschen kennen lernen dürfen.
Vielen Dank für das Interview!
Gerhard Schumann hat vor acht Jahren die Diagnose Parkinson erhalten. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Aus seinem Erfahrungen heraus hat er das Buch „Parkinson Leben mit der Pechkrankheit“ geschrieben. Er leitet seit 2016 die Regionalgruppe München der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V..
Wer fragt hier?
Mein Name ist Silke van Beuningen.
Mit meiner Erfahrung als Physiotherapeutin und Life Coach unterstütze ich Parkinson-Erkrankte und deren Angehörige online.
Online bedeutet, dass du meine Hilfe bequem zu Hause erhältst. Du findest allgemeine Tipps auf dieser Seite, kannst aber auch deine Probleme mit mir direkt besprechen.